Spaghetti, Spirelli, Penne, Tortellini - es gibt wohl kaum jemanden, der Nudeln nicht liebt. Perfekt, denn Pasta ist nicht nur als Glücklichmacher bekannt, sondern auch als Multitalent. Eine besondere Spezialität ist frische gefüllte Pasta – und wir haben den Mann besucht, der bis heute als der Papa der Tortellini gilt. Eine Pasta-Geschichte, die beweist, das Liebe durch den Magen geht!
Ich stehe in einem großen Raum, die Hände kneten Mehl und Eier zu einem Teig. Konzentriert, denn ich muss mich beeilen, noch hat der Teig nicht die richtige Konsistenz. Vor mir steht Antonella Rana und zeigt uns Anfängern, wie man einen richtigen Nudelteig zubereitet. Aus ihr sprudeln die Worte nur so heraus, während sie blitzschnell den geschmeidigen Nudelteig knetet. Eine echte Italienerin, herzlich, fröhlich, mitreißend – genauso wie man sich eine italienische Mama eben so vorstellt. Wenn man sie so sieht, versteht man gleich, warum Tortellini-Papst Giovanni Rana seine Schwiegertochter so mag und die Familie so berühmt für ihre frische Pasta ist.
In Italien ist Giovanni Rana fast so berühmt wie der Papst. Und das ist ihm durch seine Leidenschaft für frische Pasta und sein feines Gespür für die Sehnsüchte der Menschen gelungen. Im elterlichen Bäckereigeschäft in San Giovanni Lupatoto kam der sympathische Tortellini-Macher früh mit Teigen in Berührung. Doch ihm war schnell klar, Brot und Kuchenteig reizt ihn nicht. Vielmehr waren die aufwändigen gefüllten Tortellini seine Leidenschaft. Er selbst sagt mit einem verschmitzten Lächeln, dass ihm früh bewusst war, dass die Familien-Bäckerei niemals groß genug für drei Brüder wäre. In den frühen 1960ern erkannte Giovanni Rana, dass sich die Gesellschaft in Italien stark veränderte. Die Frauen gingen arbeiten und hatten kaum mehr Zeit, um ihren eigenen Pastateig herzustellen. Aus einer fixen Idee wurde Stück für Stück ein Welterfolg. Giovanni Rana beschloss, gefüllte Pasta herzustellen und zu verkaufen. Nicht nur seine Familie hielt ihn für verrückt. Niemand glaubte, dass ein Italiener fertige gefüllte Pasta kaufen würde. Doch Giovanni Rana vertraute seinem Instinkt. Von einem alten Mann lernte er alles, was man braucht, um eine perfekte Pasta herzustellen.
“Und so machte ich frische Pasta, die schnell zubereitet werden konnte, aber so gut war,
wie ein selbstgemachtes Produkt. Die Familien schätzen das und meine frische Pasta wurde ein riesiger Erfolg.“
Doch noch fehlte etwas. Dass ausgerechnet Amor, der Liebesgott ihm zum Erfolg verhelfen würde, verblüfft Giovanni Rana bis heute. Der junge Italiener verliebte sich nämlich. Und überzeugte seine Freundin von seiner Idee, handgemachte Tortellini zu verkaufen. Fortan stand das verliebte Paar Tag für Tag in einem kleinen Zimmer. Giovanni Rana machte den Teig, Laura die verschiedenen Füllungen. Pro Stunde schaffte das fleißige Pärchen 1 Kilogramm Tortellini. Mit einem alten Motorrad fuhr er die hausgemachte Pasta dann zu den Kunden. Es dauerte nicht lang und die schmackhaften Rana-Tortellini sprachen sich herum. Mit der großen Nachfrage war klar, dass Giovanni Rana expandieren muss.
Die erste Fabrik entstand. Heute ist der Rana-Kosmos deutlich größer. Er ist Marktführer im Segment frische Pasta. Fabriken in Italien, Argentinien und den USA wurden gebaut. Es gibt 22 Rana-Restaurants mit frischer Pasta und speziellen Rezepten. Die Mitarbeiterzahl wuchs von einer Handvoll auf 3000 in der ganzen Welt. Durch modernste Technik sind aus 1 Kilogramm Tortellini pro Stunde heute 21.600 Stück pro Stunde möglich. Pro Woche werden zwischen 300 und 500 große Parmesan-Laibe verarbeitet. Doch wer jetzt denkt, aus dem kleinen Familienbetrieb wurde ein großer unpersönlicher Konzern, irrt. Wenn man Giovanni Rana und Gianluca – den einzigen Sohn von Giovanni Rana und heutiger CEO von Rana – beim Rundgang durch die hochmodernen Pasta-Produktionshallen begleitet, fällt unweigerlich auf, wie herzlich der Umgang der beiden Firmenchefs mit ihren Angestellten ist. Immer ein Lächeln, hier und da ein Klopfer auf die Schulter – Berührungsängste kennen die Ranas nicht. Bis heute sehen sich die Ranas als großen Familienbetrieb – und zu dieser gehören auch ihre Angestellten.
Kein Wunder, dass selbst Konkurrenten wie Barilla neidlos zugeben, dass die frischen Tortellini von Giovanni Rana vorzüglich schmecken. Aber wie gelingt das? Giovanni Rana hält zum einen streng an dem Grundsatz fest, dass beste Qualität die Grundlage von allem sei. Die verwendeten Rohstoffe sind sicher nicht alle Bio-Qualität, werden aber bei Lieferung einer strengen Geschmackskontrolle von ausgebildeten Fachleuten unterzogen. Nur wenn deren Geschmacksknospen das OK geben, dürfen Mozzarella, Burrata, Parmesan, Schinken, Ricotta und das frische Gemüse weiterverarbeitet werden. Doch das ist nicht alles. Auch die große Auswahl an Füllungen und ständig neue Produkt-Innovationen sorgen dafür, dass es die Pastaliebhaber immer wieder neu kulinarisch auf Entdeckungsreise gehen können. Über 180 verschiedene Füllungen stellt die Pastificio Rana heute mittlerweile her. Keine Frage, die neue Bio-Produktlinie mit Tortellini aus Vollkornmehl oder kreative Füllungen mit Kichererbsen treffen voll den Nerv der Zeit.
Auch mein Teig ist inzwischen fertig geknetet und kommt jetzt für einige Zeit in die Kühlung. Ein guter Pastateig muss ruhen, erklärt Antonella Rana. In der kurzen Pause nutze ich die Chance, schaue aus der großen Fensterfront der Rana Versuchsküche auf das Firmengelände. Und werde überrascht. Das steht, inmitten der Fabrikhallen eingebettet, ein kleines schnuckeliges Haus mit Terrasse, einem kleinen Garten und großen Pool. Unerwartet wie eine Oase in der Wüste liegt das idyllische Fleckchen da. Antonella verrät, dass dort Giovanna Rana wohnt. Er hat seine Fabrik einfach um sein zu Hause gebaut und könnte sich keinen schöneren Platz zum Leben vorstellen. Das kann man verrückt finden, aber vielmehr zeigt es, wie leidenschaftlich Giovanni Rana seinen Traum lebt und liebt.
Dann ruft auch schon wieder Antonella in die Küche, die Füllung für Tortellini wartet. Voller Eifer mische ich zarte Erbsen, Ricotta, Parmesan und Mascarpone. Und lerne, die Füllung wird nach Geschmack zubereitet. Mag man es würziger, nimmt man mehr Parmesan, liebt man es cremiger gibt man einfach mehr Mascarpone zu. Wer es stückig bevorzugt, lässt die Erbsen ganz, während man sie mit der Gabel auch zerdrücken kann, wenn man die Masse geschmeidiger mag. Wie verschieden die Geschmäcker der Menschen sind, lernten die Ranas vor allem als sie in andere Länder expandierten. Doch anderen ihren Geschmack aufzuzwingen, kam für die Familie nicht in Frage.
„Mein Geschmack ist nicht der Geschmack von jedem und Tradition ist kein Gefängnis!
Wir wollen die Liebe zur Pasta auf die ganze Welt bringen.“ (Giovanni Rana, Founder RANA)
Auch wenn Firmengründer Giovanni Rana eher kräftige, starke Geschmäcker bei den Füllungen mag: Auf die Vorlieben des jeweiligen Landes werden die Füllungen mit akribischer Marktforschung angepasst. Und so findet man in den USA z.B. häufiger stückige Füllungen als in Italien, wo man es lieber samtig mag.
Ok, frische Pasta ist teuer. Getrocknete Pasta ist deutlich preiswerter. Doch den meisten geht es so: Wer einmal frische Nudeln probiert hat, greift nur noch selten auf die getrockneten Varianten zurück. Woran das liegt? Ganz einfach: Das Aroma von gefüllter frischer Pasta ist viel intensiver. Außerdem ist die Nudeloberfläche meist etwas rauer, so dass auch Saucen besser haften bleiben. Ein ganz anderer Pluspunkt ist die schnelle Zubereitung. Durch den feuchten dünnen Teig ist frische Pasta meist in zwei bis drei Minuten fix und fertig gegart. Diese Frische bedeutet aber auch, dass frische Pasta deutlich kürzer haltbar ist – nur wenige Tage nämlich – und im Kühlschrank aufbewahrt werden muss.
Giovanni Rana musste am Anfang seiner Karriere als Tortellini-König schnell feststellen, dass handelsübliche Maschinen den Teig längst nicht so dünn ausrollen können, wie ein geübter Pastamacher mit der Teigrolle. Doch die große Nachfrage zwang ihn, auf Maschinen auszuweichen. Da er also mit den vorhandenen nicht die gewünschte Qualität erhielt, tüftelte er an eigenen Konstruktionen. Das Kunststück gelang. Sohn Gianluca hält bis heute an dem Weg fest. So sind Maschinen und Fabrikhallen hochmodern und geheim. Denn die Konkurrenz ist neugierig und der Markt hart umkämpft.
Giovanni Rana genießt es, dass sein Sohn die gleiche Leidenschaft für Pasta und das Geschäft hat, wie er. Deshalb hat er auch so entspannt das Ruder an Gianluca und Schwiegertochter Antonella übergeben. „Unser Traum ist es als Familie zusammenzuarbeiten“. Das ist perfekt gelungen. Antonella, die lebenslustige Schwiegertochter kommt aus einer Hoteliers-Familie und war der Grundstein für den Erfolg der Rana-Restaurants. Ihre offene, humorvolle und herzliche Art begeistert einfach jeden. Oft denkt Giovanni Rana, der in Verona geboren wurde, darüber nach, welch große Rolle die Liebe für den Erfolg seiner Pasta hatte. Er mit seiner Frau und nun Sohn Gianluca und Antonella. Das ist nicht selbstverständlich – denn immerhin spielte in Verona mit Romeo und Julia die größte tragische Liebesgeschichte der Welt statt.
Zum Glück meint es Amor mit den Ranas gut. Denn sonst gäbe es nicht nur weniger frische Pasta, sondern auch die über 100 lustigen Werbeclips, die Giovanni Rana und Antonella zusammen gedreht haben. Sie haben Rana, die Geschichte und seine Pasta in ganz Italien berühmt gemacht. Heute erkennt den „Tortellini Mann“ oder auch „Nono Rana“ jedes Kind. Sie sind mit ihm aufgewachsen. Auch eine Art, seine Familie charmant zu vergrößern. Wenn man heute Verona besucht, kann man nicht nur im neuesten Restaurant der Ranas vorzüglich die hausgemachten Produkte probieren. Mit etwas Glück trifft man auch Giovanni Rana – mitten in Verona ist bis heute sein Lieblingsplatz. Dann sitzt er in einem der Cafés an der Piazza Brà, lässt sich die Sonne ins Gesicht scheinen, betrachtet die Arena und die Menschen. Und lässt sich vielleicht auch gerade eine neue Pasta-Kreation einfallen. Wer weiß...
Ich jedenfalls habe meine selbstgemachten Tortellini mit Hilfe von Antonella noch mit meiner würzigen Erbsen-Käse-Masse gefüllt und mit schwarzem Pfeffer gewürzt. Doch statt sie einfach im Wasser zu kochen, gab mir Antonella einen ganz ungewöhnlichen Zubereitungstipp mit auf den Weg: Die Pasta in heißem Öl frittieren und als Snack servieren. Habe ich gemacht – und natürlich hat es vorzüglich geschmeckt. Ich hatte nichts anderes erwartet.
Fotos:
In Verona liegt verborgen in einer kleinen Gasse das luxuriöse Hotel "Palazzo Victoria". In den alten Gemäuern ist es den Besitzern gelungen, Altes und Neues perfekt miteinander zu verbinden. Moderne Einrichtung und historische Bausubstanz verschmelzen zu einer Einheit. Muss ich erwähnen, das auch die Küche hervorragend ist? Wahrscheinlich nicht. Das Frühstücksbuffet konnte ich leider nicht wirklich lange genießen - das Bett war so gemütlich, dass ich mich noch einmal umgedreht habe. Aber seht selbst...
Adresse: Via Adua 8, 37121 Verona
Weitere Infos: www.palazzovictoria.com
Hinweis: Ein großer Dank geht an Giovanni Rana und seine Familie, mit deren freundlicher Unterstützung die Reise überhaupt erst möglich wurde.